Wenn ein Unternehmen wächst, Zeit verstreicht und neue Kolleg:innen die Büros bevölkern, werden diese Werte häufig schnell zu etwas, das als gegeben hingenommen wird. Dass die Entstehungsgeschichte dieser selbstgewählten Leitplanken für den Arbeitsalltag alles andere als trivial ist, fällt dabei allzu häufig unter den sprichwörtlichen Tisch.
Im Interview mit unserer CHRO Cornelia Grünbaum wollten wir es nun, 15 Jahre nach Gründung von Assecor, genauer wissen: von der Genese über die Funktion dieser Werte bis hin zur allgemeinen Vereinbarkeit mit Lebens-bzw. Arbeitspraxis haben wir Fragen gestellt, deren Antworten wir euch nicht vorenthalten wollen. Da die Hierarchien bei Assecor äußerst flach sind und sich die Kommunikation dementsprechend einfach gestaltet, war es uns möglich, einen äußerst kurzfristigen Gesprächstermin zu diesem Thema zu vereinbaren.
Jonas: Hey Nele,danke, dass du dir die Zeit nimmst, mit mir über die Firmenphilosophie von Assecor zu sprechen. Wirft man einen Blick auf die sechs Leitwerte, fällt direkt eins auf: hier steht rücksichtsvoller Fortschritt im Fokus, der allen digitalen Herausforderungen zum Trotz, den Menschen nicht aus dem Blick verliert. Kannst du kurz erläutern, wie es zu genau diesen sechs Leitwerten kam? Was war der Prozess hinter dieser Aufstellung? Und was für einen Stellenwert hatten die Werte damals und welchen haben sie heute?
Cornelia Grünbaum: Tatsächlich war es so, dass wir 2018 den ersten Workshop diesbezüglich hatten; das war auch mein erstes Jahr bei Assecor. Ich habe im September 2018 bei Assecor gestartet und mich vorrangig mit der Entwicklung eines neuen Talent Acquisition Konzepts auseinandergesetzt. Im Dezember 2018 gab es dann den ersten von zwei konsekutiven Workshops. Da war vor allem das Management dabei, aber auch Infrastrukturberater:innen, die schon seit langer Zeit bei Assecor arbeiten. Kolleg:innen aus der Prozessberatung waren ebenso am Start, wie solche, die sich intensiv mit Datenschutz befasst hatten, Lead Architekten, Programmierer, und so weiter. Bei diesem ersten Workshop ging es vor allem um die Fragen nach unserer Vision und der damit verbundenen Mission. Das hat damals einen ganzen Tag in Anspruch genommen, denn wir wollten nicht lediglich Luftschlösser bauen, sondern hatten zum Ziel, in Resonanz mit der Realität des Tagesgeschäfts, einen kohärenten Weg zu beschreiben und diesen weiterhin zu beschreiten. Die eigenen Unique Selling Points (USPs) waren ebenso wichtig zu identifizieren, wie das Ausmachen von Challenges, die jedem von uns tagtäglich begegnen. Also: warum arbeiten Kunden mit uns zusammen? „Wir sind da...“,dieser Claim existierte schon damals als Leitbild und bot einen initialen Startpunkt für die Entwicklung der einzelnen Werte. Es war uns schnell klar, dass die Nahbarkeit, die aus diesen Worten spricht, ein wichtiger Punkt für den Erfolg des Unternehmens darstellte: wir haben Standards und Methoden, die Verlässlichkeit zum Ausdruck bringen, die Zufriedenheit mit den Ergebnissen garantieren und die gleichermaßen Professionalität ausstrahlen. Aber dieses „Wir sind da“ hat uns damals nicht gereicht. Wir wollten Effizienz schaffen, weil wir gesehen haben, dass ganz viele Firmen damit beschäftigt sind, sich um Administratives zu kümmern und gar nicht mehr dazu kommen, ihren Kernaufgaben nachzukommen. In diesem Zusammenhang ist gerade auch Innovation besonders wichtig! Wir sind nicht da, um Effizienz um jeden Preis, etwa den Abbau von Arbeitsstellen, zu gestalten, sondern wir sind da, um zu entlasten, dem jeweiligen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich auf sein Kerngeschäft besinnen zu können – und in diesem Rahmen auch Platz für Innovation zu schaffen.
“Wir sind da, bis digitales Arbeiten Freiräume für morgen schafft!”
Unsere eigene Zukunft wurde ebenfalls thematisiert: wir kamen zu dem Schluss, dass es diesbezüglich wenig bis gar nichts bringt, sich auf konkrete Zahlen einzuschießen. Stattdessen sollte der Kontext als Maßstab gelten: wenn sich das wirtschaftliche Umfeld ändert, ändern sich schließlich zwangsläufig auch die relevanten Kennzahlen. Ein nachhaltiges Ziel musste her: deswegen haben wir uns auf die Lünendonk-Liste fokussiert. Wenn du eine Platzierung auf dieser Liste erhältst, wird dein Erfolg in Relation zu deinen Wettbewerbern gemessen. Das erschien uns als adäquates Ziel, da hier der branchentypische Wandel bereits mitgedacht wird.
Im ersten Quartal 2019 folgte dann der zweite Workshop, bei dem es nun um die konkrete Formulierung der Werte ging. In diesem Zuge haben wir uns viele Beispiele angesehen: wie sieht das mit den Werten bei anderen erfolgreichen Unternehmen aus? Bei Google, bei Netflix, bei Spotify und so weiter. Anschließend haben wir uns wieder auf uns besonnen und Fragen gestellt, wie „Warum arbeiten wir bei Assecor?“, „Wie arbeiten wir zusammen?“, „Warum arbeiten Kunden mit uns zusammen?“, „Welche Standards haben wir etabliert?“, „Wie stellen wir uns die Zusammenarbeit mit dem Kunden vor?“ Da ist dann tatsächlich relativ viel zusammengekommen. Zu Beginn wurden an die 20 individuellen Werte identifiziert, von denen einige bei allen Teilnehmenden in der einen oder anderen Weise auftauchten. Gerade auf die ersten zwei Werte (Wir sind einen Schritt voraus & Jeder ist Teil des Ganzen und wird wertgeschätzt) konnten wir uns direkt einigen. Natürlich gab es auch zwei Werte, auf die sich erst nach einer längeren Diskussion geeinigt werden konnte. Der eine war „Wir wechseln die Perspektive“, der andere „Ergebnis über Prozess“. Bei diesen beiden Werten bestand – und besteht teilweise noch heute – die Befürchtung, dass man sie falsch verstehen und auslegen könnte. Im Falle des Perspektivwechsels ist natürlich eine fundamentale Empathie gemeint, keineswegs eine Gehirnwäsche: jede:r darf und soll die eigene Sichtweise beibehalten und ist dazu angehalten auch kritisch einzuhaken, wenn nötig. Die Ergebnisorientierung bezieht sich auf die Antizipation von Common Sense – quasi die Antithese zur Amtsstube, in der, um jeden Preis, das Prozedere eingehalten zu werden hat. Nicht gemeint ist eine Lesart, die nahe legt, der Zweck heilige die Mittel. Haltung ist uns wichtig und natürlich gibt es Prozesse, die uns überhaupt erst als seriös in Erscheinung treten lassen: wir sind schließlich ISO 27001 und ISO 9001 zertifiziert. Es ist immer gut Prozesse zu haben, aber es sollte verstanden werden, welchem Zweck der jeweilige Prozess dient. Mit einer Liste, auf der bloße Schritte abgehakt werden ist letztlich niemandem geholfen.
Sämtliche Werte, die sich heute als geflügelte Schlagworte präsentieren, waren einmal ganze Sätze, die wir, ob Kommensurabilität und Griffigkeit nachträglich gekürzt haben.
Jonas: Aus allen diesen Werten spricht ein auf die Zukunft gerichteter, überaus produktiver, Tatendrang: wie wichtig ist es in eben jenem innovativen Mindset zu leben, welches man seinen Kunden nahezubringen sucht? Anders gefragt: bieten die Leitwerte ein Stück Glaubwürdigkeit nach außen oder richten sie sich nach innen an die Mitarbeiter:innen?
Cornelia Grünbaum: Ich glaube sowohl als auch: für die Kunden müssen wir zwangsläufig vorausgedacht haben, sonst würden sie unsere Dienste ja nicht in Anspruch nehmen. Die Kunden brauchen schließlich unsere Expertise, was bedeutet, mindestens einen Schritt weiter zu sein, von gemachten Erfahrungen ausgehend nach vorne zu denken.
Innerhalb Assecors kommt es ein wenig drauf an… Es ist definitiv hilfreich, wenn auch im Tagesgeschäft die Neugier nicht abhandenkommt und auch das Mindset stimmt. Das kann man allerdings nicht grundsätzlich an das gesamte Team als Erwartung stellen, weil Menschen unterschiedlich sind und sich überdies in unterschiedlichen Lebensphasen befinden können. Nicht jeder ist zu jedem Zeitpunkt dazu bereit, sich Innovationen zu stellen. Innovationen besitzen schließlich auch eine sehr eigene Dynamik – das ist mitunter schon ein sehr unsicheres Terrain, auf dem man sich da bewegt. Und das kann und muss vor allem niemand zu jeder Zeit leisten…
Jonas: Kannst du ein Beispiel für die gelebte Praxis dieser Werte geben?
Cornelia Grünbaum: Ich persönlich habe 2018, kurz nach meinem Start, relativ schnell festgestellt, dass sich das Arbeiten bei Assecor manchmal anfühlte, wie damals in der Uni. Wenn man ein Projekt hatte, und man sich Leute aussuchen konnte, mit denen man das dann bearbeitet hat. Diese Art von lustvoller Kollaboration, einfach zu sagen: da wollen wir jetzt hin, aber eben nicht als Einzelkämpfer! Vielmehr hat jeder mit seiner ganz speziellen Expertise Teil am Erfolg. Als ich zu Beginn meiner Zeit bei Assecor beispielsweise das On-Boarding neu strukturiert habe, ergab sich viel daraus, dass ich etwas nicht wusste, aber keinerlei Hemmungen zu haben brauchte, nach Hilfe zu fragen. Da nimmt man sich dann auch mal die Zeit, neue Kolleg:innen besser kennen zu lernen: und diese Art von Perspektivwechsel, eines grundlegenden wechselseitigen Verständnisses und einer generellen Kommunikation auf Augenhöhe ist es, was die Kultur bei Assecor auszeichnet. Wenn wir Themen bearbeiten, tun wir das grundsätzlich mit einem starken Team im Rücken.
Abschließend lässt sich festhalten, dass jede Formulierung von Leitwerten nichts ohne die gelebte Praxis ist. Es gibt auch hier nicht immer die explizite Referenz auf ein Protokoll, vielmehr werden die Leitwerte häufig unterbewusst und intersubjektiv vertreten und vor allem gelebt. Jeder ist, fernab seiner speziellen Funktion, auch als Mensch unglaublich wichtig für das Team-Gefüge und so ist jeder Abgang stets auch ein Verlust von Freund:innen.
Jonas: Schön gesprochen! Bleibt mir nur noch zu sagen: vielen lieben Dank für deine Zeit und die ausführliche Beantwortung meiner Fragen.
Die Leitwerte lassen sich einerseits auf die professionelle Arbeitsweise projizieren, stellen andererseits aber auch ein adäquates Framing eines informellen sozialen Miteinanders dar. Man denke da beispielsweise an physische Zusammenkünfte im Küchenbereich, aber auch an den vom expliziten Standort unabhängigen Austausch innerhalb der Crews, jener interdisziplinären Kleinteams, die sich innerhalb Assecors für generelle Informationsgleichheit verantwortlich zeichnen.