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Personalentwicklung und Lernen im digitalen Zeitalter

Lernen soll in Zukunft individuell sein, aber viele haben auch den Überblick verloren. Gleichzeitig wünschen sich viele eine Community. Aber wie soll das alles möglich sein? Unsere CHRO Cornelia Grünbaum und die Expertin Nelli Schneider im Gespräch zu dem digitalen Tool Growify, das diese Probleme lösen kann.
Inhaltsverzeichnis

Dieser Artikel ist ein bearbeiteter Auszug aus unserer zweiten Staffel des IT-Podcasts 4x30. Hören könnt ihr die ganze Folge hier.

Was ist Growify? Hinter dem Tool steht ein Berliner Startup, das sich zur Aufgabe gemacht hat, die Personalentwicklung, die betriebliche Weiterbildung, die Ausbildung daten-basierter, skill-orientierter und somit effizienter und nachhaltiger zu gestalten.

Cornelia Grünbaum, Assecor: Mich kennen die Leute unter mehreren Namen: Cornelia, Nele, Conny. Ich bin 2018 gekommen, habe den Bereich Talent Acquisition aufgebaut, habe viel mit unseren Fachbereichen zusammengearbeitet und das Personal-Team bei Assecor aufgebaut. Seit letztem Jahr darf ich den kompletten Personalbereich verantworten. Dabei ist das Thema Weiterentwicklung bzw. Weiterbildung mir sehr wichtig.

Nelli Schneider, Growify: Ich bin seit circa zwei Jahren bei Growify als Learning Experience Consultant tätig. Ich komme fachlich aus der Erwachsenenbildung und Weiterbildung und habe das Tool Growify mit auf- und ausgebaut.

Liebe Nele, warum verwendet Assecor das Tool Growify?

Nele: Wir haben Growify vor einer Weile eingeführt, und das aus verschiedenen Gründen. Zum einen gibt es uns eine Richtung, das ist sehr wichtig. Jeder Einzelne in unserem Team soll sich nach individuellen Wünschen entwickeln dürfen. Aber das mit einer vereinenden Unternehmensstrategie zu verbinden, ist nicht immer einfach. Manchmal ist es sogar sehr schwer überhaupt zu ermitteln, in welche Richtung wir uns als Organisation bewegen wollen.

Growify hilft uns allen dabei, einen Überblick zu bekommen. Jede Rolle innerhalb unseres Unternehmens hat Skills. Unsere Mitarbeitenden können sich diese Skill-Profile aufrufen, ihre eigenen Skills eintragen und sehen: Wo bin ich und wo möchte ich hin? Oder auch von welchem anderen Profil oder welcher Rolle diese Person schon vieles gelernt hat.

Und auf der anderen Seite können wir als Unternehen auch sehen: Wo stehen wir aktuell? Welche Projekte können wir stemmen? Welches Wissen und welche Kompetenzen brauchen wir noch? Welche Trends sind in Zukunft da und wohin müssen wir uns entwickeln? Das heißt, diese Möglichkeit zur Richtungsbestimmung ist für uns ganz essenziell.

Du hast bereits auf das Thema Erfassung von Kompetenzen angespielt. Nelli, bei Growify heißt das auch „Skill Mapping“. Wie macht man das und was ist dabei wichtig?

Nelli: Das Skill-Mapping läuft so ab: Nehmen wir das Beispiel Kreditoren-Buchhalterin. Hier werden alle Skills aufgezeigt, von Hardskills zu Softskills bis gelernte Tools, quasi alle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen, die eine Kreditoren-Buchhalterin in Unternehmen A haben muss. Die Mitarbeiterin, die die Rolle Kreditoren-Buchhalterin hat, wird dann zuerst nach den im Profil aufgelisten Skills abgefragt.

Wir als Growify haben dafür Levels von 0 bis 4. „Null“ heißt: “das kann ich noch nicht”, „Eins“ heißt „kenne ich“. Level drei heißt „kann ich anwenden“, „vier“ ist das höchste Level. Das heißt, dass ich das Skill auch vermitteln kann.

Das Schöne dabei ist, dass sich Mitarbeitende selbst einschätzen können. Aber man kann und sollte auch eine Fremdeinschätzung von anderen Personen einholen. Wenn man nicht weiß, wo man steht, ist es selbstverständlich schwierig, auch seine Ziele zu erreichen im Bereich Bildung.

Nele: Das hat im Übrigen auch den folgenden Vorteil: Wir sind im Projektgeschäft tätig, und wenn unser CPO – also derjenige, der die Leute auf die Projekte setzt, -  dann auch diesen Einblick hat, kann er bei neuen Projekten schnell erkennen, wer die nötigen Skills hat.

Nelli: Für alle Parteien, die in diesen ganzen Bildungsprozess involviert sind, gibt es durch Growify eine gute Daten-basierte Grundlage, um Entscheidungen zu treffen.

Und dann geht es auch darum, Wissens- oder Kompetenzlücken festzustellen, auf deren Grundlage man Mitarbeitende in die richtige Richtung schicken kann. Wenn das einmal festgelegt ist, wie geht’s dann weiter? Gebt ihr vor, welche Kurse Mitarbeitende machen sollten?

Nele: Das ist die eine Seite: Wir identifizieren, welche Bedarfe da sind und gehen auf den Mitarbeitenden zu. Wir sagen dann gemäß unserer Personalentwicklung, dass wir dich gerne dafür einplanen würden und du aber noch die oder die Schulung bräuchtest - ist das interessant für dich?

Auf der anderen Seite ist es aber auch so: Bei Assecor arbeiten wir sehr selbstbestimmt und selbstständig. Das ist als Angebot gemeint. Schließlich ist es doch am Ende so: Ein Mitarbeitender geht in Growify rein und sieht sich selbst mit seinen Skills, die er oder sie selbst gemappt hat, oder die er oder sie bestätigt bekommen hat. Dann sieht diese Person selbst, okay, da könnte die Reise für mich hingehen.

Und dazu, ich habe es vorhin schon angedeutet, kann ich auch Wissensträger identifizieren, die dann bei der Schulung helfen. Vor allem dann, wenn ich sehe, okay bei dieser oder jener Lernphase haben sich die anderen auch gemappt und lernen das auch gerade.

Oder die eine Person hat den Part sogar erstellt. Dann kann ich auf diese Person direkt zugehen. Das muss ich aber nicht machen, jeder kann das sehen. Und wenn jemand denkt: Okay, ich möchte mich jetzt im Bereich Scrum Master zertifizieren lassen, wer bei uns hat denn den Skills Scrum mindestens auf Level drei bestätigt? Dann trete ich einfach direkt mit diesen Leuten in Kontakt und kann mich austauschen.

Das heißt aber auch, dass hinter einer neuen Fähigkeit nicht zwangsläufig eine Schulung oder irgendein Zertifikat dahinter steht. Es soll vor allen Dingen den Austausch über Abteilungen, die wir ja so nicht haben, aber die vielleicht woanders existieren oder über Teams hinaus fördern.

Eine Studie der Bitkom hat 2021 ergeben, dass bei Weiterbildungen vor allem der Community-Gedanke entscheidend ist. Miteinander lernen, statt separat an einzelnen Online-Kursen zu arbeiten. Wie macht ihr in diesem Bereich, Nelli?

Nelli: Es gibt eine Theorie dazu oder ein Modell, das “70-20-10-Modell". Das Lernen, das heutzutage leider in Unternehmen vorherrschend ist, ist theoretisches, formelles Lernen. Das heißt, wir schicken Leute in Seminare, die kommen zwei Tage später zurück und haben nur 10 % des Wissens wieder zurück gebracht.

Die andern 20 % und 70 % erlernt man aber tatsächlich in Kontakt mit anderen Menschen. Das heißt, diese eher informellen Prozesse sollten gefördert werden. Das geht aber auch mit einem Lernkultur-Wandel einher: weg von dem „ich konsumiere fertiggestellte Inhalte von Experten extern“, hin zu Lernen im Unternehmen. Denn eigentlich ist so viel Wissen intern im Unternehmen vorhanden, wenn man es nur zu nutzen weiß.

In derselben Studie gaben 28 % der Befragten an, dass sie bei einer Vielzahl der Weiterbildungsangebote schlicht keinen Überblick mehr haben, welche Lerninhalte für das eigene Profil eigentlich notwendig sind. Da hilft Growify auch?

Nele: Ja. Wir nutzen das bereits im Alltag. Apropos interne Weiterbildung, gestern zum Beispiel hatten wir eine sogenannte Brown Bag Session, bei der jemand einen Einblick in ein Thema gegeben hat. Die Themen sind sehr unterschiedlich, aber sollen generell vielen im Unternehmen helfen können. Wenn ich dann ein Thema identifiziert habe, möchte ich wissen, wer dieses Skill vermitteln kann. Dann sage ich: okay, ich gehe in Growify und schaue, wer hat denn den Skill.

Das gleiche gilt für unsere Communities of Practice, das sind selbstorganisierte Teams, die sich einem Thema widmen, sozusagen Lerngruppen. Wenn jemand zum Beispiel ein Thema aus dem Development hat, dann kann diese Person auch sagen: ich möchte da etwas dazu machen. Dann guckt diese Person genauso wie ich nach: Wer hat denn innerhalb der Organisation schon Kenntnisse? Dann steht einer Community nichts mehr im Wege à la: „Hey, habt ihr Lust mit mir zu dem Thema in der Community of Practice zu bilden?“. Die meisten dieser Communities sind offen für alle Stufen. Aber es hilft gewaltig, solche Erfahrungs- oder Wissensträger in einer Community zu haben.

Ihr hattet es vorher schon angesprochen: Es braucht für die Arbeit der Zukunft auch einen Wandel der Lernkultur. Das ist eine riesige Chance. Wie macht man das eigentlich genau? Wie seid ihr das angegangen?

Nelli: Also es gibt ja diese drei Parts einer Lernkultur: Das eigene Ich als lernende Person. Dann das wie-agieren-andere oder wie-agiert-mein-Team. Und dann die Rahmenbedingungen, die ein Unternehmen in seiner Lernkultur vorgibt. Diese drei Parts sollten analytisch abgetastet werden. Wie verhalte ich mich als Lernende in Bezug aufs Lernen? Wie sind meine Kollegen mit dem Begriff Lernen unterwegs? Und was will das Unternehmen quasi als dritter Partner im Spiel? Welche Rahmenbedingungen gibt das Unternehmen vor, um diesem Lern-Ich und das Lern-Wir zu stärken? Das ist ganz wichtig.

Wir selbst haben das auch implementiert. Wir sind ein kleines Team, circa 20 bis 25 Leute. Das heißt, bei uns ist es wahrscheinlich noch ein überschaubarer und einfacher umzusetzen als bei großen Unternehmen. Wir haben uns diesen Fragen gestellt: Wir lerne ich und wie lernen wir? Und welche Rahmenbedingungen gibt es dafür? Ein kleines Ergebnis aus unserem Analyseprozess ist: Wir haben einen Learning Day eingeführt, den wir alle drei Wochen haben. Was wir an diesem Tag anstellen, all unsere Lernergebnisse oder Aufgaben, die wir uns selber stellen, dokumentieren wirmachen somit Lernen auch sichtbar im Unternehmen. Man muss natürlich dazu sagen, dass wir als Start-up und Tool für digitale Personalentwicklung natürlich ein besonderes Interesse daran haben. Das kann bei anderen Unternehmen anders aussehen.

Genau, wie kann man denn Leute abholen, die überhaupt keine Lust auf Weiterbildung haben? Für die das eine Tortur ist, den nächsten Videokurs anzusehen?

Nelli: Im Grunde sind das Glaubenssätze, die mitschwingen bei der ganzen Sache. Wir haben hier in Deutschland eine sehr konsumorientierte Art zu lernen. Vom Kindheits- bis ins Erwachsenenalter. Darauf kann man aufbauen. Podcast ist ja auch by the way, ein gutes Lernmedium.

Aber wie kriegt man noch mal die Leute, die jetzt vielleicht nicht so Lust drauf haben? Meistens muss in diesem Fall die Relevanz des Lerninhalts geschärft werde. Wenn ich merke, dass bei ich bei einem Onlinekurs schon 50 % kenne, und diese 50 % für mein Thema gar nicht so richtig relevant sind, ist der Kurs natürlich nicht so gut für mich angepasst.

Kurse müssen daher stäker an den Lernenden angepasst sein. Warum? Weil Erwachsene einfach anders lernen als Kinder. Erwachsene brauchen Relevanz. Sie müssen auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen können. Sie müssen das Thema auch in der Realität anwenden können. Und das macht die Sache natürlich ein bisschen schwieriger.

Was man machen kann: Wir bei Growify bauen ja bei häufig sogenannte Lernpfade, das sind konkrete Lernstrukturen für den Lernenden, und wir achten dabei darauf, dass wir verschiedene Medien und verschiedene Level abbilden können.

Denn für jeden ist der Trigger zum Lernen ein bisschen anders. Es gibt daher mehrere Möglichkeiten, ein Thema zu lernen und es in Growify abzubilden. Dadurch kommt beim Lernenden natürlich auch die Erkenntnis: “Hey, ich bin eher der Podcast-Mensch, dann befasse dich doch mit dem Thema XY und höre dazu einen Podcast.” Das heißt die Medienvielfalt kann Menschen auch zum Neu-Erlernen ihres eigenen Lernens bringen.

Nele: Ich glaube auch, in diesem Bezug ist es ganz wichtig, sich damit anzufreunden, dass Menschen unterschiedlich sind. Man kann nicht sagen, dass alle Menschen auch dieselben Bedürfnisse in der Weiterentwicklung haben, oder dass alle Menschen in jeder Phase dieses Bedürfnisse haben.

Wir haben zum Beispiel junge Familienväter und -mütter, die auch privat einfach so viel zu tun haben. Sie leisten trotzdem gute Arbeit, aber sie haben vielleicht aktuell nicht das Bedürfnis, neben der Arbeit noch ein zweites Thema zu treiben und ihren Kopf dafür aufzumachen. Und das kann völlig in Ordnung sein. Wir haben oft erlebt, dass nach zwei, drei Jahren diese Bedürfnisse wieder zurückkommen, wenn es sich woanders eben ein bisschen entspannt hat.

Genauso ist auch das Thema „Wann lerne ich“ ein ganz essenzielles. Ich muss mich nicht immer mit einem Kurs beschäftigen und lerne nur anhand dieses Kurses. Manchmal ist es auch die Erfahrung durch den nächsten Projekteinsatz, sprich die tägliche Arbeit, und ich bin an einem Punkt, wo ich eine Sache tue, die ich noch nie so gemacht habe.

Was ich für mich festgestellt habe, ist, dass es immens wichtig ist, das angeeignete Wissen in irgendeiner Form zu teilen. Dann kann jeder oder jede schauen: Okay, für dieses Thema gibt es in unserem Unternehmen noch nichts, aber ich kenne mich aus. Dann habe ich die Möglichkeit, zum Beispiel eine Lerngruppe aufzumachen.

Es gibt so viele Möglichkeiten, wenn man einmal einen Überblick hat. Wir hatten wir letztens darüber nachgedacht, wie man all diese kleine Hacks oder Best Practice für Entwickelnde einfach für alle teilen kann. Wie können diese Erkenntnisse für den nächsten transparent wiedergegeben werden? Wir wollen in Zukunft in jedem Fall mehr implizites Wissen sichtbar machen und weitergeben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ihr wollt diese Folge und weitere unseres Podcasts hören?

Assecor-IT-Podcast 4x30

Wenn ihr mehr über Growify erfahren wollt, dann bitte hier entlang.

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